Messungen zur Betondichte

Seismische Oberflächenwellen zur Messung der räumlichen Bodendichte

Eine Landwirtschaft, die hohe Produktivität mit Produkt­qualität, Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz in Einklang bringt, muss kleinräumig und in engen Zeitabständen eine Vielzahl von Daten zu Pflanzen, Boden, Wetter und anderem aufnehmen und in Planungsprozesse einbeziehen. Große Herausforderungen bereitet besonders die automatisierte Erhebung von relevanten Bodendaten. Um dem Abhilfe zu schaffen, entwickelt das Fraunhofer IKTS im Fraunhofer-Leit­projekt COGNAC ein automatisiert arbeitendes, roboter­fähiges System zur Messung der Bodendichte im ersten Tiefenmeter, mit dem räumliche Bodendichtekarten erzeugt werden und in die Bearbeitungsplanung einbezogen werden können. Mit welchen Lösungsansätzen unsere Kolleg*innen vom Fraunhofer IKTS aktuellen Problemstellungen zur räumlichen Bodendichtemessung begegnen, lesen Sie in diesem Blog-Artikel.

Im Fraunhofer-Leitprojekt »Cognitive Agriculture« (kurz: »COGNAC«) for­schen neben dem Fraunhofer IESE weitere sieben Fraunhofer-Institute gemein­sam an Grundlagen, die Landwirt*innen in einer digitalisierten Welt hohe Produkti­vität im Einklang mit weiteren Zielen wie Nachhaltigkeit oder Produktqualität er­möglicht. Unsere Gastautoren vom Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und System IKTS präsentieren hierzu, wie seismische Oberflächenwellen zur Messung der räumlichen Bodendichte eingesetzt werden können.

 

Neubert, Holger (Fraunhofer IKTS)Gastautor
Dr.-Ing. Holger Neubert
Abteilungsleiter »Intelligente Materialien und Systeme«, Fraunhofer IKTS
Telefon: +49 351 2553-7615

E-Mail senden

 

 

Weihnacht, Bianca (Fraunhofer IKTS)Gastautorin
Dr. Bianca Weihnacht
Fraunhofer IKTS

Telefon: +49 351 88815-536

E-Mail senden

 


Aktuelle Problemstellungen bei der Bodendichtemessung in der Landwirtschaft

Das Gefüge des Ackerbodens bis in Tiefen von 1 bis 2 m hat großen Einfluss auf die Wachstumsbedingungen von Nutzpflanzen, die diesen nämlich durchwurzeln. Neben Aspekten wie Art und Schichtung des Bodens, wasserführende Schichten sowie andere natürliche Gegebenheiten spielen auch aus der landwirtschaftlichen Nutzung hervorgehende Effekte, wie im Unterboden akkumulierte Verdichtungen in der Pflugsohle, eine entscheidende Rolle.

Der Unterboden ist normalerweise von natürlicher und technischer Auflockerung weitgehend ausgeschlossen, kann aber mit den richtigen Lockerungsmaßnahmen zumindest grobstrukturiert aufgelockert werden. Mikrostrukturen werden dabei allerdings eher weiter geschädigt als wiederhergestellt. Es bleibt ein negativer Einfluss auf den Ertrag. Hinzu kommt ein hoher Aufwand für die Wiederauflockerung. Nicht nur aus diesen Gründen ist ein Monitoring des Bodengefüges daher wünschenswert und vorteilhaft, um die Bodenqualität nachhaltig zu erhalten oder lokal wiederherzustellen. Die Bodendichte oder Lagerungsdichte ist deswegen einer der wichtigsten bodenphysikalischen Parameter.

Indirekt geben Pflanzenbestände über die Bodendichte Auskunft. In Teilschlägen ungenügend entwickelte, vergilbte oder notreife Pflanzen deuten auf Schäden in Krume und Unterboden hin. Eine direkte Messung ist mit einem Penetrometer bis in Tiefen von etwa 1 m möglich. Dies erfordert einen hohen manuellen Aufwand und ist daher nur punktuell machbar. Die Erfordernisse eines Bodendichtemonitorings in der Landwirtschaft werden jedoch nicht erfüllt.


Neue Lösungsansätze zur Messung der Bodendichte

Das Fraunhofer IKTS entwickelt derzeit ein System zur automatisierten Bodendichtemessung für das Boden-Monitoring in einer digitalisierten Landwirtschaft. Das Funktionsprinzip beruht auf der Einleitung von elastischen Oberflächenwellen in den Ackerboden, deren Aufzeichnung an Messpunkten in bestimmten Abständen sowie der Rekonstruktion des Bodendichteprofils und elastischer Parameter im penetrierten Bereich.

Dieser Ansatz hat mehrere Vorteile: Anregungsparameter und Lage der Messpunkte können abhängig von der gewünschten Auflösung in weiten Grenzen variiert werden. Das Verfahren ist robust, nicht invasiv und gut automatisierbar. Es können sowohl kontinuierliche als auch geschichtete Dichteübergänge aufgelöst werden, da die Messeffekte und Auswertungen nicht auf klassischen Reflexionsmethoden basieren. Dies unterscheidet das Verfahren beispielsweise von sonstigen Verfahren mittels Bodenradar und konventioneller Reflexionsseismik. Außerdem kann durch die Wahl geeigneter Wellentypen der Einfluss der Bodenfeuchte verringert werden, welche vor allem bei Bodenradarverfahren ausschlaggebend ist.

Im Rahmen des Fraunhofer-Leitprojekts COGNAC besteht die Herausforderung für die Entwicklung vor allem in drei Punkten: Erstens liegen die Anforderungen an die vertikale Auflösung der Bodendichte innerhalb des ersten Tiefenmeters im Dezimeterbereich und damit deutlich höher als bei vergleichbaren seismischen Verfahren, die zu Baugrunduntersuchungen und geologischen Untersuchungen eingesetzt werden. Zweitens wurden die Verfahren der Oberflächenwellenseismik hauptsächlich für manuelle Messungen entwickelt. Die kommerziell verfügbaren Komponenten sind nicht ohne Weiteres für automatisierte Messungen im gegebenen Kontext einsetzbar. Ein besonderes Augenmerk verlangt die zuverlässige Ankopplung des Aktors und der Empfänger, der sogenannten Geophone, an die stark unterschiedlich ausgeprägte Lockerbodenauflage von Ackerböden. Drittens ist das System so kompakt aufzubauen, dass es durch einen autonomen Feldroboter betrieben werden kann. Dies beinhaltet Anforderungen an Masse, Leistungsbedarf, aber auch Rechentechnik und Rechenzeit sowie Bandbreite der Datenübertragung für die Ausführung überwachter und optimierter Messkampagnen.


Bisherige und erwartete Ergebnisse

Mit den bisher entwickelten Komponenten für Wellenanregung und Wellenempfang konnte das Verfahren mit beispielhaften manuellen Messungen durchgeführt und praktisch nachgewiesen werden. Es wurden robuste Auswertealgorithmen entwickelt, die nach einer Modenextraktion im Frequenzbereich die lokale Lagerungsdichte mit wenigen Iterationen aus Initialmodellen bestimmen können, selbst wenn einzelne Sensoren nicht ausreichend angekoppelt sein sollten. Aus einer Reihe von Einzelmessungen, die jeweils einen Bodendichteschnitt von einigen Metern Länge ergeben, lässt sich ein komplexes räumliches Abbild der Bodendichte zusammensetzen.

Auf verschiedenen Ackerflächen, die unterschiedliche Böden und Ankoppelbedingungen bedeuten, wurden Bodendichteprofile bereits rekonstruiert. Nach gegenwärtiger Einschätzung sind damit alle aktuellen Anforderungen erfüllbar.

Die Messung der Bodendichte ist nur ein Baustein im Themenkomplex »Biosphärenmonitoring« im Fraunhofer-Leitprojekt COGNAC. Die entwickelten und angewendeten Messverfahren und Sensoren sammeln unterschiedlichste räumlich und zeitlich aufgelöste Daten zu Pflanzen, Ackerboden, Wetter und Bearbeitung auf einzelnen Schlägen. Der besondere Wert der einzeln erhobenen Daten entsteht erst mit der Fusion zu semantischen Feldkarten und ihrer applikationsspezifischen Interpretation. So lassen oberflächenseismische Messdaten zur Bodendichte eines Schlages im Kontext mit Daten zur Pflanzenbeschaffenheit und dem Nährstoffhaushalt weitergehende Schlussfolgerungen zur saisonalen und langfristigen Entwicklung eines Schlages und daraus resultierend zur Bearbeitungsplanung zu.

Sie möchten das Projekt »Cognitive Agriculture« (COGNAC) weiterverfolgen und keine Neuigkeiten rund um die digitale Transformation in der Landwirtschaft verpassen? Melden Sie sich hier zum Newsletter an!

Lesen Sie weitere Artikel aus dem Bereich Smart Farming und dem Fraunhofer Leitprojekt »COGNAC«.